„Abenteuerland-Virus“, heißt es im Team. Gemeint ist der Grund, warum Kinder erst dann mit ihren Eltern in den Urlaub fahren wollen, wenn sie drei Wochen im „Abenteuerland“ verbracht haben. Auch viele TeamerInnen kehren Jahr für Jahr in das besondere Land zurück, nachdem sie schon als Kinder „BewohnerInnen“ waren. „Ansteckend für alle Altersklassen“, lacht eine Teamerin. 270 Kinder im Alter von fünf bis 14 reisten zum 20. Jubiläum ins Abenteuerland ein. „Unser Motto dieses Jahr: „Ein wahrgewordener Traum aus bunter Magie“, erzählt Christine Blum-Köhler Diplom-Sozialpädagogin im Sozialreferat der Stadt Würzburg und Vorsitzende des Fördervereins Abenteuerland. „Dass wir jetzt nach dem 20. Jahr Abenteuerland stehen verdanken wir einer Vielzahl an Kooperationspartnern. Ohne die Stadt Würzburg und den Förderverein, das Bayerische Rote Kreuz oder der Arche gGmbH könnten wir diese genialen 3 Wochen für die Kinder gar nicht stemmen.“

Das Land „Abenteuerland“

Der Name „Abenteuerland“ ist keinesfalls unbedacht gewählt für dieses Projekt. Jeder Einwohner erhält für diese 3 Wochen einen eigenen „Ausweis“, Tag für Tag wird dieser  morgens bei der Einreise vorgezeigt. Außerdem macht dieser Pass die Zugehörigkeit aller Kinder in ihre, nach Alter gestaffelten, Zeltstädte deutlich. Von der grünen für die jüngsten Kinder bis hin zur Lila Zeltstadt für die 13 und 14-jährigen BewohnerInnen teilen sich die Gruppen auf. Im Vorfeld erarbeiten die jeweiligen TeamerInnen eine individuelle Geschichte für ihre Zeltstadt. Die Kinder retten beispielsweise eine Eiskönigin oder machen es sich zur Aufgabe den „Sand der Träume“ zurück in die Welt bringen. Neben der durch die drei Wochen führenden Geschichte ist es im Abenteuerland wichtig, dass Kinder Zeit bekommen einmal „nichts groß Vorbereitetes“ zu tun und so „Zeit zum Kind-Sein“ zu haben, so Eva Matzat vom Leitungsteam des Projektes.

Auch bei den Zeltstadtteams wird klar, dass die TeamerInnen jedes Jahr emotional in ein eigenes Land einreisen. Jede Gruppe hat einen Bürgermeister und fünf TeamerInnen. Sie bleiben über die gesamte Dauer als Team bei „ihren“ Kindern. So entsteht eine Gemeinschaft, in der jeder jeden gut kennenlernt, Vertrauen aufbaut und auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder eingegangen wird. Kompletteiert werden die Teams mit sogenannten Klein-TeamerInnen. Sie sind meist Kinder, die selbst jahrelang das Abenteuerland bereisten und jetzt eine Ausbildung zu TeamerInnen erhalten. „Das ist mit das Schönste, zu sehen, dass immer wieder Kids sich darauf freuen Teil dieses Teams zu werden und einfach nicht genug bekommen von diesem „Abenteuerland!“, sagt Leitungs-Teamerin Vanessa Meyer.

Über das „Klein-TeamerInnen-Sein“ erzählt die 15-jährige Janet, dass man als Kind gar nicht daran gedacht hat, wie viel Engagement und Durchhaltevermögen hier vom Team geleistet wird. „Ich denke, ohne dieses Jahr Klein-TeamerInnen zu sein, als Einführung in das große Ganze, hätte mich hier Einiges überfordert. Jetzt ist mir ganz klar, dass hier so sehr auf jedes einzelne Kind eingegangen wird. Ich fühlte schon als Kind, dass das Abenteuerland viel mehr ist als „nur“ eine Ferienfreizeit – jetzt sehe ich das auch aus der Perspektive eines Teammitglieds.“

Diese Vorbereitung scheint auf den ersten Blick tatsächlich unüberschaubar. Einige Wochen vor dem Abenteuerland treffen sich alle TeamerInnen und fahren gemeinsam zum „Seminar-Wochenende“. Die zielgerichtete, pädagogische, integrative Arbeit mit den Kindern ist hier genauso Thema, wie die Gewährleistung der Aufsichtspflicht, Lösungen in Konfliktsituationen und vieles mehr. „Allein für die Organisation unserer Zeltstadt hätten wir gefühlt ein ganzes Wochenende planen können“, erinnert sich Teamerin Jessy. Gemeint sind auch ganz viele „Highlights“ während der drei Wochen. Jede Zeltstadt hat eine eigene Übernachtung, zur „Halbzeit“ des Projekts versammeln sich alle 270 Kinder in einem Zirkuszelt zur Feier des Bergfestes, eine Talentshow für alle Kinder wird angeboten und das größte Highlight ist die „Große Nacht der Magie“, bei der es eine Disko gibt, ein Kino, einen großen Jahrmarkt und vor Allem: an diesem Abend übernachten alle Kinder in ihren Zeltstädten.

Neues zum Jubiläum

Das 20. Abenteuerland stellte wieder einmal das gesamte Team vor neue Herausforderungen. Mit 270 Kindern bereisten das Land so viele Kids wie noch nie zuvor. Vanessa Meyer: „Es sind ja nicht nur mehr Kinder – unsere „Einwohner“ kommen aus 22 Herkunftsländern, sprechen verschiedene Sprachen, haben unterschiedliche soziale Herkunftsfamilien – all das bedeutet für uns einiges mehr an Vorbereitung und den großen Einsatz Aller. Zudem kam dieses Jahr mit der Lila Zeltstadt eine neue Gruppe dazu. Wir wollen auch Kindern mit Flüchtlingshintergrund allen Alters ermöglichen ein Teil dieses Projektes zu sein.“ Erzählen die TeamerInnen von ihren Zeltstädten wird eines aber ganz klar: In diesem speziellen Land interessiert es niemand, woher sie stammen, welche Sprache sie sprechen oder aus welchen Familien sie kommen. Sie alle sind BewohnerInnen im hier und jetzt im „Abenteuerland“. Die Frage, woher ein Kind kommt, wird im Abenteuerland beantwortet mit: „Ich bin aus Gelb! Und aus welcher Zeltstadt kommst du?“.

Auch im Team machte sich der aktuelle Zuzug von Flüchtlingen bemerkbar. Einige zusätzliche Klein-TeamerInnen begleiteten mit großer Freude das Projekt. Der 17-jährige Rebal aus Syrien beispielsweiße ist erst 10 Monate in Deutschland. Er erzählt über seine Arbeit als Klein-Teamer, dass er in diesen 3 Wochen sehr viel gelernt hat und er vor Allem vom Zusammenhalt und dem „Geist des Abenteuerlands“ beeindruckt ist. „Anfänglich war ich unsicher. Neue unbekannte Leute, viele Kinder die ich nicht kenne, versteht mich hier überhaupt jeder und vor Allem, kann ich hier überhaupt helfen in der Arbeit mit Kindern. Das waren so einige meiner Gedanken. Aber hier habe ich stets ein direktes Feedback erhalten und mir wurde immer klarer, dass wir hier oben nicht nur zusammen arbeiten, sondern ein richtiges TEAM sind!“

Dieser sogenannte „Geist des Abenteuerlands“ beschreibt für jeden Teilnehmer und Mitarbeiter ein ganz spezielles Gefühl. „Egal ob Kind, Klein-TeamerInnen, TeamerInnen, BürgermeisterInnen oder im Leitungs-Team, von diesen 3 Wochen nimmt jeder so viel mit in seinen Alltag danach. Nach 20 Jahren zu sehen, dass immer mehr Kinder zu uns kommen und aus Kindern TeamerInnen werden. Zu beobachten, dass so viele Kinder herzlich aufeinander zugehen und die Grundidee dieses Projektes, das gemeinsame Erleben in einer positiven Atmosphäre leben, das macht uns alle hier wahnsinnig froh und ein bisschen stolz!“, fast Christine Blum-Köhler zusammen. Das große Abschlussfest und das letzte Verabschieden macht deutlich, wie viel hier jedes Jahr erlebt wird.

Bei der finalen „Ausreise“ fließen bei TeamerInnen und Kindern die Tränen und es wird klar, dass es für alle eine sehr intensive, erlebnisreiche Zeit zum Zusammenwachsen war die nun zu Ende geht. Doch alle gehen mit einer Gewissheit: Nach dem Abenteuerland ist vor dem Abenteuerland!

Felix Maier